Die Leier

Geschichte

Leier?  – Seit 1926 gibt es ein neues Instrument dieses Namens. Dem Typus nach ist es den antiken Instrumenten zwar verwandt, hat jedoch nichts mit historischer Nachbildung zu tun. Geboren ist die moderne Leier aus dem Anliegen, sich als Hörender oder Musizierender in ein vertieftes Verhältnis zur Musik und ihren Elementen selbst zu versetzen. Insofern ist sie ein Kind der künstlerischen Aufbruchstimmung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, jener Zeit, in der die Protagonisten der Neuen Musik (Schönberg, Webern, Bartók, Hindemith und viele andere) dem Publikum bislang Un-Erhörtes als Hör-Aufgabe zumuteten, Komponisten wie Carl Orff oder Zoltán Kodály radikal neue musikpädagogische Wege suchten.

Auch der Musiker Edmund Pracht (1898-1974) verfolgte mit der Konzeption seiner Leier etwas fundamental Neues: Einen Klang, der auffordert in die Tiefenschicht der Töne und Tonbeziehungen hinein zu lauschen. Den letzten Anstoß zur Verwirklichung gab die Begegnung mit behinderten Kindern und deren Hörweisen. So fand die moderne Leier unmittelbar Eingang in die heilpädagogische Arbeit. Das zunächst durch Lothar Gärtner weiter entwickelte Instrument wird heute weltweit in verschiedenen Werkstätten gebaut und vorwiegend als pädagogisches oder therapeutisches Medium verwendet. Die rein künstlerische Seite des Leierspiels – wenngleich als Quelle der pädagogisch-therapeutischen Bemühungen immer gepflegt – ist lange  Zeit eher Begleiterscheinung geblieben. Erst mit der Wende zum 21. Jahrhundert mehren sich spürbar die künstlerischen Aktivitäten. Doch zählen Leierkonzerte immer noch zu den Raritäten im Kulturleben.

Die Anfänge

Nach dem Brand des ersten Goetheanumbaus wird Edmund Pracht (1898-1974) im Frühjahr 1923 in die so genannte Wächtergruppe nach Dornach/Schweiz gerufen. Er bricht dafür sein Studium ab, lebt nun im Umkreis Rudolf Steiners und betätigt sich u.a. als Klavierbegleiter zur Eurythmie. Steiners vielfältige Anregungen, vor allem das im Ton-Eurythmiekurs (1924, GA 278) angeregte qualitative Erüben der musikalischen Elemente, werden ihm für das eigene Suchen in der Musik wegweisend. Auf diesem Hintergrund wird Prachts Wunsch verständlich, ein vom mechanischen Ballast des Klaviers befreites „Übgerät“ – wie er die Leier manchmal genannt haben soll – zu kreieren, eine Art Urinstrument, „das schon durch die Beschaffenheit des Tones für die andächtige Vertiefung in die Elemente der Musik […] eine gute Hilfe bietet.“ (Gärtner/Pracht 1927).

Entsprechende Ideen und Pläne verdichten sich nach Steiners Tod, wobei auch Arbeitsbegegnungen mit der englischen Musikwissenschaftlerin Kathleen Schlesinger eine Rolle gespielt haben dürften. 1926 kommt dann die entscheidende Geburtshilfe, als Pracht gebeten wird, für den Eurythmieunterricht der Kinder am „Sonnenhof“ (der heilpädagogischen Dépendance der von der Ärztin Ita Wegman in Arlesheim gegründeten Klinik) zu spielen. Von der klanglichen Wirkung des Klaviers im Hinblick auf die Kinder völlig unbefriedigt, steht ihm nun mit einem Mal das angestrebte Instrument klar vor Augen. Er gibt den Bau einer Leier nach seinen Vorstellungen bei dem Basler Geigenbauer Fritz Baumgartner in Auftrag. Gleichzeitig greift Lothar Gärtner (1902-1979), ebenfalls Mitglied der Wächtergruppe, Prachts Idee auf, verändert dessen ursprünglich skizzierte eckig-asymmetrische Form und schafft eine mehr atmende, runde Form.

So stehen am Anfang des neuen Leierbaus gleich zwei Instrumente. Weiter verfolgt wird jedoch der von Gärtner eingeschlagene Weg. Ita Wegman sorgt für die Einführung der neuen, bald in verschiedenen Stimmlagen gebauten Instrumente in die heilpädagogische Arbeit. Pracht und Gärtner gründen eine Arbeitsgemeinschaft, Gärtner macht den Leierbau zu seiner Lebensaufgabe.

Siehe auch den Fachartikel in der Bibliothek: Beilharz – Entwicklungsräume. Zur Geschichte der modernen Leier

Leierbau

Abschnitt noch in Bearbeitung.

Die Leier im Musikleben

Die ersten Jahrzehnte in der Heilpädagogik

Bei den  Pionieren der 1924 begründeten anthroposophischen Heilpädagogik findet das neue Instrument begeisterte Aufnahme, werden in der Folgezeit seine heilpädagogischen und therapeutischen Möglichkeiten erprobt. Innerhalb der von Ita Wegman ab Ende  der 1920er Jahre ins Leben gerufenen Fortbildungskurse für Ärzte, Schwestern, Heilpädagogen wird Edmund Pracht mit dem musikalischen Part betraut. Die Kursteilnehmer nehmen seine Anregungen mit hinaus in die Einrichtungen. So verbreitet sich mit der rasch wachsenden Heilpädagogischen Bewegung auch das Leierspiel, zunächst im europäischen Raum. Es entsteht ein zunehmender Bedarf an Instrumenten. Gärtner, der inzwischen mit Pracht zusammen eine Arbeitsgemeinschaft gegründet hat, macht den Leierbau zu seiner Lebensaufgabe.

Die weitere Entwicklung der Leier bleibt für einige Jahrzehnte eng mit der anthroposophischen Heilpädagogik verbunden, stark impulsiert durch Edmund Pracht, der immer wieder in die verschiedenen heilpädagogischen Institutionen, bis hin nach Schweden und Schottland, eingeladen wird, um mit den Menschen vor Ort musikalisch zu arbeiten. Daneben werden vor allem auch die Kompositionen von Alois Künstler (1905 – 1991) prägend für einen neuen, mit der Leier verbundenen Musikstil.

Weitere Entwicklungen seit den 1960er Jahren

Nach vielen Jahren einer eher stillen, außerhalb der heilpädagogischen Einrichtungen kaum wahrgenommenen Arbeit, beginnt mit der Begründung des Kreises der Lehrenden Leierspieler – durch Julius Knierim, Edmund Pracht und andere – 1961 eine deutliche Erweiterung der Aktivitäten. Die Leier hält Einzug in einzelne Waldorfschulen, öffentliche Tagungen werden veranstaltet. Maria Schüppel (1923 – 2011), Mitglied im Kreis der lehrenden Leierspieler und eine Meisterin des Instruments, begründet 1963 in Berlin die weltweit erste musiktherapeutische Ausbildung auf anthroposophischer Grundlage: die „Musiktherapeutische Arbeitsstätte“.  Hier erhält die Leier einen prominenten Platz im Reigen der Therapieinstrumente. 1971 wird die Freie Musik Schule gegründet, als so genanntes Wanderstudium: die Studenten reisen, ähnlich wie einst die Handwerksgesellen, durch halb Europa zu den verschiedenen Studienorten. Diese Ausbildung schreibt sich den Dreiklang Kunst – Pädagogik – Therapie auf die Fahnen  und rückt die Leier ganz ins Zentrum des Studiums. „Motor“ der Schule ist Julius Knierim (1919 – 1999). Von ihm gehen entscheidende Anstösse für die Weiterentwicklung des Leierspiels und für die differenzierte Ausgestaltung der musikalischen Arbeit in Pädagogik und Heilpädagogik aus. Seinem unermüdlichen Einsatz ist es entscheidend mit zu verdanken, dass das Leierspiel in den 1970er und 80er Jahren zu einer starken, auch weltweiten Ausbreitung kommt.

(Wird fortgesetzt)

Persönlichkeiten

Heinz Michael Derscheid

Schreinermeister, Holztechniker, Instrumentenbauer, * 8.12.1938 Argenschwang im Hunsrück (D), † 15.8.2008 Farsund (Norwegen).

Heinz Michael Derscheid wuchs als viertes von sechs Kindern in einer anthroposophisch orientierten Lehrerfamilie in der Nähe von Bad Kreuznach auf. In der Familie wurde die Musik sehr gepflegt, Heinz Derscheid spielte Geige und sang zeitlebens im Chor. Nach dem Krieg und zwei Umzügen der Familie vollendete er seine Schulzeit in Bad Kreuznach, absolvierte eine Schreinerlehre und arbeitete dann als Geselle in seinem Beruf, bis ihn 1964 sein Weg zur Waldorfschule Engelberg (bei Stuttgart) führte. Dort hatte er bis 1970 eine Anstellung als Schreiner und war mit den umfangreichen Baumaßnahmen der sich in dieser Zeit stark vergrößernden Schule betraut. In dieser Zeit bereitete er sich auch auf seine 1967 erfolgte Meisterprüfung vor und schloss 1969 eine zusätzliche Ausbildung als Holztechniker ab. Von 1970 bis 1989 war er als Holztechniker bei einer großen Firma in der Nähe von Stuttgart angestellt. 1969 heiratete er Ingeborg Grünbaum. 1975 zog die junge Familie nach Nürtingen um, wo die drei gemeinsamen Kinder die neugegründete Waldorfschule besuchten.

Bereits in den Engelberger Jahren hatte Heinz Derscheid engen kollegialen Kontakt mit Helmut Hofstetter, der an der Schule als Werklehrer arbeitete und parallel dazu eine eigene Werkstatt aufbaute, in der er zunächst Fideln und Kantelen, später dann vor allem Kinderharfen und Leiern baute. Derscheid half oft in der Werkstatt aus und sammelte dabei viele Erfahrungen im Instrumentenbau.

Nach dem plötzlichen Tod Helmut Hofstetters im August 1983 wurde Heinz Derscheid von den Angehörigen gebeten, Hofstetters Werkstatt zu übernehmen und den Leierbau fortzuführen. Er kam dieser Bitte nach, übergangsweise zunächst nach Feierabend und an den Wochenenden in Hofstetters Werkstatträumen in Lorch-Waldhausen. 1987 zog er dann mit allen Maschinen, Holzlager usw. in eine eigene Werkstatt im Kreis Nürtingen um.

Als Leierbauer blieb Heinz Derscheid den von Helmut Hofstetter aus der ursprünglichen Choroi-Form heraus weiterentwickelten Formen treu, veränderte aber mit zunehmender Erfahrung manche Details, z.B. bei der Besaitung, bei der Art der Holzverbindungen, beim Rahmen und zum Teil auch im Innenausbau, immer auf der Suche nach weiteren klanglichen Verbesserungen. Dabei leitete ihn sein von Kind auf gut geschultes musikalisches Ohr.

Bis zu seinem Tod im Jahr 2008 baute er ca. 100 Kantelen (diatonische und pentatonische) und ca. 300 Leiern (Gr. und Kl. Sopran, Sololeier, Altleier und Alt-Tenorleier). Die Instrumente gingen in alle Welt, besonders groß war die Nachfrage in den USA.

Mit Unterstützung der LANA (Lyre Association of North America) konnte der Leierbauer Alan Thewless Derscheids Arbeit nach dessen Tod übernehmen und fortführen. In seiner Werkstatt in Pottstown, Pennsylvania, baut er diese Modelle bis heute als „Derscheid Legacy Lyres“ – neben den von ihm selbst entwickelten „Tir-Anna Lyres“.

Links:
Catherine Decker: Derscheid Legacy Lyres.  

Tir-anna Musical Instruments

Walter Lothar Gärtner

Leierbaumeister. *22.3.1902 Dresden (D), †17.8.1979 Waldshut (D).

Lothar Gärtner war mit der Entwicklung der 1926 von dem Musiker Edmund Pracht konzipierten Leier von Anfang an eng verbunden. Er schuf für das Instrument eine in ihren Grundzügen bis heute gültige Form und machte den Leierbau zu seiner Lebensaufgabe.

Gärtner erhielt in den „Deutschen Werkstätten“ in Hellerau eine Ausbildung als Kunstschreiner und absolvierte eine kaufmännische Lehre. 1919 lernte er die Anthroposophie kennen und wurde im Juli 1923 Mitglied der Wächtergruppe an der Brandruine des Goetheanums. In dieser Zeit betrieb er intensive künstlerische Studien und nahm an vielen Kursen und Vorträgen Steiners teil, u.a. auch 1924 am Toneurythmiekurs.

Im Jahr 1926 griff er die Idee seines Wächterfreundes Edmund Pracht zur Konzeption einer neuen Leier auf. Die von Pracht skizzierte eckige Form ersetzte er durch eine runde, vom Yin-Yang-Motiv inspirierte Form und schnitzte in der Nacht vom 5. zum 6. Oktober die erste klingende Leier. Ita Wegman führte das neue Instrument in die heilpädagogische Arbeit ein. Pracht und Gärtner gründeten eine Arbeitsgemeinschaft und Gärtner machte den Leierbau zu seiner Lebensaufgabe. 1930 heiratete er die Eurythmistin und Musikerin Elisabeth Dauner. Nach verschiedenen Zwischenstationen erfolgte 1936 der Umzug nach Konstanz und der Aufbau des bis heute fortgeführten Ateliers für Leierbau. 1938 legte Gärtner die Meisterprüfung ab und etablierte so den Leierbau als eigenständiges Handwerk.

Nach der durch den Krieg erzwungenen Pause griff er den Leierbau erneut auf und konnte bald größere Werkstatträume mieten. Aufgrund der weltweit zunehmenden Nachfrage nach den in verschiedenen Typen und Stimmlagen gebauten Instrumenten wurden in den Folgejahren weitere Mitarbeiter eingestellt. In den 1970er Jahren war Gärtner den zunehmenden Belastungen gesundheitlich nicht mehr gewachsen und übergab die Unternehmensverantwortung anseinen Sohn Horand Gärtner.

Gärtner verstarb 1979, nach dem dritten Schlaganfall, im Krankenhaus Waldshut.

Link: Forschungsstelle Kulturimpuls: Lothar Gärtner

Helmut Hofstetter

Lehrer, Instrumentenbauer, * 21.5.1934 bei Zürich (CH), † 27.8.1983 Lorch-Waldhausen (D).

Helmut Hofstetter wuchs als ältester von fünf Geschwistern in Stuhlen am Greifensee, einem idyllischen, kleinen Weiler im Kanton Zürich, in einer Schreinerfamilie auf. Nach seiner Schulzeit in der Züricher Rudolf-Steiner-Schule machte er eine Schreinerlehre in der Werkstatt seines Vaters und arbeitete einige Jahre in diesem Beruf. Weitere Lehr- und Wanderjahre führten ihn zunächst nach Finnland, wo er bei einem Geigenbauer arbeitete. Eine nächste Station war Järna (Schweden), Zentrum vieler anthroposophischer, damals vor allem heilpädagogischer Initiativen. Hier, in der Heimschule Mikaelgården, lernte er seine spätere Frau, die Lehrerin und Eurythmistin Agathe Embacher (1920 – 1983), kennen. Hofstetter kehrte zunächst nach Zürich zurück, um ein waldorfpädagogisches Kursjahr zu absolvieren. Nach der Heirat im Jahr 1957 übersiedelten Agathe und Helmut Hofstetter nach Dänemark und arbeiteten in dem anthroposophisch-heilpädagogischen Heim Marjatta in Holte, bei Kopenhagen. 1964 zog die Familie mit den drei Kindern nach Deutschland, wo Hofstetter an der Waldorfschule Engelberg (bei Stuttgart) seine Arbeit als Werklehrer begann.

Hier entstand im Jahr 1967, angeregt durch die Frage einer Lehrerkollegin, die Idee, im Werkunterricht der 10. Klasse kleine Saiteninstrumente für die Schüler der unteren Klassen zu bauen. Als musikpädagogischer Experte wurde Julius Knierim zu Rate gezogen. Knierim vermittelte den Kontakt zu dem holländischen Musiker und Instrumentenbauer Norbert Visser, dem Schöpfer der Choroi-Instrumente. Zu dritt entwickelten sie das Konzept eines kleinen, siebensaitigen Instrumentes ohne geschlossenen Resonanzkörper und mit einem lichtvollen, feinen Klang und gaben ihm die Bezeichnung Kinderharfe. 1967/1968 entstand die erste Generation dieser neuen Instrumente, handgeschnitzt von den Schülerinnen und Schülern der 10. Klasse.

Durch die weitverzweigten Kursaktivitäten Julius Knierims im Bereich der Waldorfschul- und -kindergartenpädagogik sowie der anthroposophischen Heilpädagogik entstand rasch eine große Nachfrage nach den neuen Kinderinstrumenten. In seiner kleinen Werkstatt am Engelberg baute Hofstetter – neben seiner Tätigkeit als von den Schülern geliebter Werklehrer ­– bis Ende 1970 die ersten über 100 Instrumente für den europaweiten Verkauf. Parallel dazu begann er auf Bitten Norbert Vissers auch Leiern zu bauen. In dieser Zerreißprobe zwischen den Pflichten eines Werklehrers und der Liebe zum Instrumentenbau, verbunden mit dem immer weiterwachsenden Bedarf an Leiern und Kinderharfen, musste Hofstetter eine Entscheidung treffen. So wagte er 1974 den Schritt in die Selbständigkeit und gründete eine Werkstatt für Leier- und Kinderharfenbau in Lorch-Waldhausen.

Eine zunächst von beiden Seiten erhoffte dauerhafte Zusammenarbeit von Visser und Hofstetter im Rahmen der von Visser inspirierten Choroi-Werkstätten ließ sich nicht verwirklichen. Hofstetter hätte dazu eine sozialtherapeutische Werkstatt aufbauen – oder sich einer der existierenden anschließen – und sich instrumentenbaulich ganz nach den Vorgaben Vissers richten müssen. Beide Bedingungen konnte und wollte er nicht erfüllen, da für ihn die handwerkliche Entwicklung der Instrumente und deren Klang als fortlaufendes Forschungsfeld im Zentrum stand und nicht ein eher sozialtherapeutisch ausgerichtetes Wirken. So führte er seine Werkstatt als selbständiges Atelier und entwickelte im Leierbau die zunächst von Visser übernommene Form auf eigene Weise weiter.

Die Kinderharfe in ihrer ursprünglichen Form, in den ersten Jahren exklusiv durch Helmut Hofstetter gebaut, wurde, um dem immer größeren Bedarf gerecht zu werden, seit 1975 auch in der Choroi-Werkstatt in Wuppertal (Troxler-Haus), seit den 1980er Jahren auch in Filderstadt (Karl-Schubert-Werkstätten) produziert. Dort werden die Instrumente auch heute noch hergestellt, während die ebenfalls um 1980 herum begonnene Produktion der Instrumente in Marjatta, Dänemark, inzwischen eingestellt wurde.

Nach dem allzu frühen Tod Helmut Hofstetters im Jahr 1983 wurde seine Werkstatt von Heinz Michael Derscheid übernommen. Derscheid führte in Nürtingen-Neckarhausen den Leierbau nach den Modellen von Hofstetter fort, die er behutsam in einigen Details weiterentwickelte. Nach Derscheids Tod im Jahr 2008 lag diese Arbeit für einige Jahre brach. Aktuell werden diese Leiermodelle von dem amerikanischen Leierbauer Alan Thewless unter der Bezeichnung „Derscheid Legacy Lyres“ gebaut.

Literatur:
Gerhard Beilharz: Julius Knierim – Quellort muss immer die Kunst bleiben. Weilheim/Teck 2019
Gerhard Beilharz, Christian Giersch, Martin Tobiassen: Kinderharfe unterrichten. Weilheim/Teck 2014
Gerhard Beilharz, Albert Böse: Die Kinderharfe. In: G. Beilharz (Hrsg.): Musik in Pädagogik und Therapie. Stuttgart 2004
Mechthild Laier, Gerhard Beilharz: Kinderharfe spielen. Weilheim/Teck, 3. Aufl. 2017

Links:
Catherine Decker: Derscheid Legacy Lyres
Wikipedia: Kinderharfe
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Julius Knierim

Musiker, Heilpädagoge und Musikwissenschaftler, *3.9.1919 Kassel, †1.1.1999 Oeschelbronn.

Knierim studierte Musikwissenschaft in Berlin. Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft im Frühjahr 1946 besuchte er das Waldorflehrerseminar in Stuttgart. 1947 wurde er Mitarbeiter am Michaelshof Hepsisau, einer südöstlich von Stuttgart gelegenen heilpädagogischen Heimschule. Hier baute er zusammen mit seiner Frau, der Musikerin und Heilpädagogin Maja Knierim, geb. Krückeberg (1909 – 1998), in jahrzehntelangem Wirken eine vorbildhafte, weithin beachtete musikalische Arbeit auf. Im Zentrum der musikalischen Aktivitäten stand das Leierspiel.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Knierim einer der wichtigsten Impulsgeber im Bereich der Musik in der Heilpädagogik und des Leierspiels. Durch seine Mitarbeit in verschiedenen Ausbildungsstätten sowie im Rahmen vieler Fortbildungskurse und -tagungen im In- und Ausland verdanken ihm darüber hinaus auch die Waldorfschul- und Waldorfkindergartenpädagogik wesentliche Anregungen. Die von ihm zusammen mit Norbert Visser und Helmut Hofstetter 1968 entwickelte Kinderharfe hat dem Musizieren mit jüngeren Kindern ganz neue Möglichkeiten erschlossen. Mit seinem 1970 veröffentlichten Heft „Quintenlieder“ hat Knierim zudem ein „Übungsbuch für Erwachsene, die mit Kindern vor dem 9. Lebensjahr singen, spielen und tanzen wollen“ vorgelegt.
Knierim hat die von Edmund Pracht formulierte Leierspieltechnik maßgeblich weiterentwickelt und neue Zugänge zur Improvisation (z.B. „Strömendes Gestalten“) erschlossen. Er hat neue Initiativen im Leierbau inspiriert und begleitet und durch seine vielfältigen Aktivitäten wesentlich zur weltweiten Ausbreitung des Leierspiels beigetragen.

Werke (Auswahl): Quintenlieder, Bingenheim 1970; Lieder und Chöre, Bingenheim 1981; Zwischen Hören und Bewegen, Wuppertal 1988. – Herausgabe von Notensammlungen: Spielbuch 1 bis 4 für Leier, Bingenheim 1961, 1967, 1970, 1978;

Literatur (Auswahl): Beilharz, G.: Julius Knierim – Quellort muss immer die Kunst bleiben, Weilheim/Teck 2019; Beilharz, G.: Strömendes Gestalten. In: Beilharz, G. (Hg.): Erziehen und Heilen durch Musik, Stuttgart 1989; Tobiassen, M.: Das Freie Tongespräch. in: Beilharz, G. (Hg.): Musik in Pädagogik und Therapie, Stuttgart 2004.

Links:
Beilharz, G.: Das Unbeschreibbare beschreiben. Zu Julius Knierims Ausarbeitung einer Leiertechnik.
Wikipedia: Julius Knierim
Forschungsstelle Kulturimpuls: Julius Knierim

Alois Künstler

Musiker, Komponist. *1.1.1905 Liegnitz/Schlesien, †11.9.1991 Dortmund.

Alois Künstler kam von der Wandervogelbewegung zur anthroposophischen Heilpädagogik. Von 1929 bis zu seiner Einberufung zum Kriegsdienst 1940 arbeitete er als Musiker im heilpädagogischen Heim Gerswalde/Uckermark. Hier entfaltete er seinen spezifischen Kompositionsstil im Sinne einer musikalischen Durchgestaltung des Gemeinschaftslebens (Kinderlieder, Musik zum Jahreslauf und den Jahresfesten u.a.). In seinem Komponieren und der eigenen musikpädagogischen Praxis hatte die Leier eine zentrale Stellung. Nach einem kurzen Intermezzo (1947/1948) als Musiker im heilpädagogischen Institut Eckwälden war er zusammen mit seiner Frau, der Eurythmistin und Klassenlehrerin Olga Künstler, bis 1977 im Landschulheim Benefeld, einer Waldorf-Internatsschule, als Musiklehrer tätig.

Neben zahlreichen Kinderliedern, Liedern und kleinen Chorsätzen für den schulischen Gebrauch und zu den Jahresfesten, enthält Künstlers Oeuvre bedeutende Beiträge zur Musik für Leier sowie zum mit Leier begleiteten Sololied („Lieder der Stille“, „Lieder zur Leier“ u.a.). Künstler hat die Musik in der anthroposophischen Heilpädagogik und das Komponieren für Leier so stark geprägt wie wenig andere.

Werke (Auswahl): Windet zum Kranze (1937); Das ewige Licht geht da herein (1950); Michaelslieder (1951); Das Brünnlein singt und saget (1957); Hei, wie ist das Wandern gut (1960); Musik für Leier (1970); Lieder der Stille (erweiterte Ausgabe 1979).

Literatur: Lampson, E. u. H. (Hg.).: Alois Künstler zum 80. Geburtstag, Wuppertal 1984; Loring, A.: Alois Künstler, in: Hollander, M., Rebbe, P. (Hg.): Die Leier, Dornach 1996.

Links:
Forschungsstelle Kulturimpuls: Alois Künstler

Annemarie Loring

annemarie loring

Musikerin (*8.3.1923 Hochstätten/Pfalz, †4.4.2014 Dortmund)
Annemarie Loring war eine der großen Meisterinnen des Leierspiels, die durch ihren Unterricht viele Leierspielerinnen und –spieler der nächsten Generation entscheidend geprägt hat. Von den 1950er Jahren bis 1977 war sie Musikerin im heilpädagogischen Heim „Lauterbad“ (zunächst bei Freudenstadt/Schwarzwald, dann, nach dem Umzug der Institution, in Kassel). 1977 bis Mitte der 1990er Jahre arbeitete sie musikalisch und musiktherapeutisch im Pädagogisch Sozialen Zentrum Dortmund (PSZD), u.a. auch in einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit Alois Künstler.

Annemarie Loring war Mitglied in dem 1961 von Julius Knierim und Edmund Pracht gegründeten Kreis der Lehrenden Leierspieler und gehörte zum Gründungskollegium der seit 1971 arbeitenden „Freien Musik Schule. Kunst – Pädagogik – Therapie“. Bei Annemarie Loring lernten die Studierenden das Leierspiel auf eindrucksvolle Weise kennen. Hier war die „technische Handhabung“ des Instrumentes zur höchsten Vollendung gebracht.

Siehe auch: Bibliothek –> Fachartikel –> Loring, Meinen Leierfreunden (pdf)

Jan Nilsson

Jan Nilsson, Musiker, Komponist (* 7.3.1931 Stockholm, † 9.12.2021 Visby)

Schon in seiner Schulzeit erhielt Jan Nilsson eine breite musikalische Grundausbildung. Anschließend studierte er Klavierpädagogik und nahm gleichzeitig Privatunterricht in Harmonielehre und Kontrapunkt bei dem Komponisten Valdemar Söderholm. Es folgten einige Jahre als Klavierlehrer an der städtischen Musikschule in Lidingö (bei Stockholm). In dieser Zeit begann er sich mit der Anthroposophie zu beschäftigen und es entstand der Wunsch Musiklehrer an der Kristofferskolan (Waldorfschule in Stockholm) zu werden.

Ein Stipendium ermöglichte ihm und seiner Frau eine Ausbildung am Waldorflehrerseminar in Stuttgart. Zurück in Stockholm versuchte er sich erfolglos als Klassenlehrer und wechselte 1966 nach Järna in das heilpädagogische Heim Mikaelgården. Hier entfaltete er eine reiche und vielseitige musikalische Tätigkeit. In dieser Zeit schrieb er eine Fülle meist kleinerer Kompositionen, u.a. Kinderlieder, Chor- und Instrumentalstücke zum Jahreslauf und für die Jahresfeste, darunter auch viele Kompositionen für Leier.

1989 führte ihn ein Freijahr nach Vidaråsen (Norwegen), einer Camphill-Gemeinschaft für Erwachsene. Hier blieb er vier Jahre. In dieser Zeit entstand u.a. sein großes Werk Gehoben ist der Stein für Doppelchor, Solisten und Orchester. Bis zum Eintritt ins Rentenalter wirkte er noch als Pianist an der Eurythmieschule in Oslo und kehrte dann zurück nach Schweden, auf die Insel Gotland. Hier widmete er sich bis wenige Monate vor seinem Tod weiter dem Komponieren und vielfältigen anthroposophischen Aktivitäten.

Von seinem kompositorischen Werk ist nur ein kleiner Teil veröffentlicht.

Werke (Auswahl): Kompositionen für die Leier (Bingenheim 1976; Neuausgabe edition zwischentöne 2022); Vandra med varandra (Miteinander wandern, Kinderlieder. Järna 1981); Arets kretsande lopp (Der Jahreskreis; Lieder und Chorstücke. Järna 1983); Intervallstudie (in: beispiele 1, hrsg. v. G. Beilharz, 1982); 3 kleine Stücke (in: beispiele 2, hrsg. v. G. Beilharz, 1986);Zwei Kalevala-Vertonungen für Chor und Leierensemble (Zeist, Stichting Wega, o.J.): De Snoekenharp (Die Hechtesharfe) und Het ontstaan van het vuur (Die Entstehung des Feuers).

Edmund Pracht

Edmund Pracht Musiker. * 21.10.1898 Berlin, † 22.3.1974 Arlesheim.

Nach dem Notabitur im Kriegsjahr 1916 begann Pracht ein juristisches Studium, das durch den Kriegsdienst als Fliegerbeobachter. 1919 setzte Pracht seine Studien fort, zunächst an der Handels-Hochschule in Berlin, dann, nach einem praktischen Arbeitsjahr in Bremen, wieder an der Berliner Universität, wo er wirtschafts- und sozialwissenschaftliche sowie philosophische Vorlesungen besuchte. Im Frühjahr 1923 brach er das Studium ab und wurde Mitglied der sogenannten Wächtergruppe an der Brandruine des Ersten Goetheanums.

Zu Prachts großen Verdiensten gehört die Grundkonzeption der seit 1926 gebauten modernen Leier sowie die Grundlegung der musikalischen Arbeit in der anthroposophischen Heilpädagogik.

Als versierter Pianist begleitete er viel zur Eurythmie am Goetheanum, betrieb vielseitige künstlerische Studien. Steiners 1924 gehaltener Ton-Eurythmiekurs wurde ihm für das eigene vertiefende Erüben der musikalischen Elemente wegweisend. Daraus entstand die Idee einer modernen Leier, ohne Anlehnung an historische Vorbilder.  Den letzten Anstoß zum Beginn des Leierbaus im Herbst 1926 (link zu „Geschichte“) gab die Begegnung mit den Kindern am „Sonnenhof“ (der heilpädagogischen Dépendance von Ita Wegmans Klinik), für die Pracht zur Eurythmie spielte. Der Plastiker Lothar Gärtner, ebenfalls Mitglied der Wächtergruppe, gab der Leier eine verbesserte Form und machte den Leierbau zu seiner Lebensaufgabe. Fortan spielte das neue Instrument im Musikleben der heilpädagogischen Institute eine zentrale Rolle.

Als freier Mitarbeiter des Sonnenhofs schuf Pracht eine Fülle von Lied- und Leierkompositionen und entfaltete über Jahrzehnte eine weitgespannte Kurs- und Vortragstätigkeit, oft unterstützt durch seine Frau, die Eurythmistin und Sängerin Alice Pracht-Loudon.

1955 veröffentlichte er seine „Einführung in das Leierspiel“. (Konstanz) zusammen. 1961 gründete er zusammen mit Julius Knierim den internationalen „Kreis der Lehrenden Leierspieler“. Von hier aus verbreitete sich die Leierarbeit allmählich über die heilpädagogischen Grenzen hinaus.

Prachts erste Kompositionen wurden im Verlag Natura veröffentlicht, die späteren in Lothar Gärtners Verlag des Ateliers für Leierbau und in dem von Gotthard Starke gegründeten Verlag Das Seelenpflege-bedürftige Kind.

Werke (Auswahl): Die Erde hat uns lieb, Stuttgart 1928; Über Sterne, über Sonnen, Arlesheim 1938; Einführung in das Leierspiel, 1955; Die Entwicklung des Musikerlebens in der Kindheit, in: Heilende Erziehung, Stuttgart 1956; Lieder, Bingenheim 1968, ²1974; Kalevala 9. Rune, Bingenheim 1968; Kalevala 42. Rune, Bingenheim 1975;.

Literatur (Auswahl): Zum 100. Geburtstag von Edmund Pracht. Gedenkheft, Leierrundbrief 1998, Nr. 10; Beilharz, G.: Edmund Pracht und die Grundlegung der Musik in der anthroposophischen Heilpädagogik, in: Leierrundbrief 1998, Nr. 10 und 11; Hollander, M.,Rebbe, P. (Hg.): Die Leier, Dornach 1996.

Link:
Forschungsstelle Kulturimpuls: Edmund Pracht

Johanna Russ

Heileurythmistin, Heilpädagogin und Musikerin (* 24.09.1901 Jena; † 15.02.1986 Dortmund)
Johanna Ruß gehört zur Pioniergeneration der anthroposophischen Heilpädagogik. Ihr nach der Schulzeit begonnenes Violinstudium brach sie zugunsten einer Eurythmieausbildung ab. Die anschließende Ausbildung zur Heileurythmistin führte sie 1927 nach Arlesheim, wo sie in den Folgejahren eng mit Edmund Pracht zusammenarbeitete und u.a. auch ihre rhythmisch-musikalischen Ball- und Reifenspiele entwickelte. Von 1939 bis 1963 war sie als künstlerische und heilpädagogische Allrounderin in dem Kinderheim La Motta in Brissago tätig. Danach war sie Mitbegründerin einer neuen heilpädagogischen Initiative in Dortmund, dem heute weit verzweigten Christopherus-Haus, wo sie bis ins hohe Alter aktiv war.

Aus der praktischen Arbeit heraus schuf Johanna Ruß zahlreiche Kompositionen: Kinderlieder, Kanons, kleine Chorstücke, oft mit Leierbegleitung, sowie einzelne größere Werke für Chor und Leierorchester (Altkeltische Rune; Olaf Åsteson).

Veröffentlichungen (Auswahl): Schwinge, Schwengel, schwinge. Kinderlieder (1966); 33 Kanons (1973); Singen und Spielen im Jahreslauf, Bd. I/II (1976/1981); Ball- und Reifenspiele (1979).

Link: Forschungsstelle Kulturimpuls: Johanna Russ

Maria Schüppel

Musikerin und Musiktherapeutin (28.5.1923 in Chemnitz – 27.6.2011 in Berlin)

Maria Schüppel war von klein auf von vielen Instrumenten umgeben. Mit 15 Jahren begann sie als Jungstudentin in Dresden Komposition zu studieren, schloss dann 1945 ihre Studien an der Musikhochschule in Weimar mit Klavier, Cembalo, Klarinette, Oboe und Komposition ab und war von 1950-1957 als Studiendirektorin an der neu gegründeten Musikhochschule der Arbeiter und Bauernfakultät der DDR in Ost-Berlin als Dozentin tätig. Nach ihrer Flucht nach West-Berlin im Oktober 1957, auf der sie den Impuls fasste, Musiktherapie zu lernen, vertiefte sie ihre anthroposophischen Studien und entwickelte gemeinsam mit Ärzten, Musikern und Therapeuten wie Gotthard Starke, Karl König, Hans-Heinrich Engel, Edmund Pracht, Anny von Lange, Hermann Pfrogner, Maria Führmann u.a. eine auf der Anthroposophie begründete Musiktherapie.

Von Anfang an war die Leier ein zentrales Instrument  in der von Maria Schüppel 1963 begründeten musiktherapeutischen Ausbildung in Berlin. In der therapeutischen Wirkung der verschiedenen Instrumente stand die Leier für Maria Schüppel an erster Stelle. Sie war Gründungsmitglied des 1961 von Julius Knierim und Edmund Pracht initiierten Kreises der Lehrenden Leierspieler. Ihre Improvisationen auf der Leier waren tief berührend. Unter ihren kompositorischen Werken gibt es zahlreiche Stücke für Leier solo, mehrstimmige Leierstücke, Kompositionen für Gesang und Leier, Stücke für Leier und andere Instrumente sowie Leiersätze zu Volksliedern.

Ein großer Teil ihrer Kompositionen ist gelistet und erhältlich bei der Edition Mensch und Musik:

Gotthard Starke

Musiker, Heilpädagoge und Arzt (*22.04.1909 Grünberg/Schlesien, †21.02.1987 Bingenheim/Hessen).
Nach dem 1932 abgeschlossenen Musikstudium und einigen Jahren heilpädagogischer Arbeit absolvierte Gotthard Starke ein Medizinstudium und war seit 1941 im Kriegsdienst als Truppenarzt. 1950 begründete er die Lebensgemeinschaft Bingenheim, deren kulturelles Leben und heilpädagogische Arbeitsweise er bis zu seinem Lebensende auf besondere Weise prägte. Der von ihm gegründete Verlag Das Seelenpflege-bedürftige Kind war von den 1950er bis in die 1980er Jahre das zentrale Publikationsorgan für Musik in der Heilpädagogik und für Kompositionen für Leier. Hier erschienen die wichtigsten Werke von Edmund Pracht, Alois Künstler und anderen sowie die von Julius Knierim herausgegebenen Spielbücher für Leier. Auch die von Starke 1954 ins Leben gerufene Zeitschrift Das Seelenpflege-bedürftige Kind (erschienen bis 1971) trug durch die redaktionell von Knierim betreuten, regelmäßig erscheinenden Musikbeilagen wesentlich zur Verbreitung der Musik für Leier bei. Von Gotthard Starkes eigenen Kompositionen und Bearbeitungen für Leier wurde nur ein kleiner Teil veröffentlicht.

Werke: Sappho-Lieder für Singstimme und Sopranleier, Wuppertal 1987; Starke, G./Schwedeler, E.: Alte Weihnachtslieder mit neuen Leiersätzen, Bingenheim 1975.

Link: Forschungsstelle Kulturimpuls: Gotthard Starke

Norbert Visser

Norbert Visser, Musiker und Instrumentenbauer (* 09.05.1919 Haarlem, NL, †16.11.2003 Schoorl NL).

Visser war nach seinem Studium zunächst als Violinlehrer und konzertierend tätig. 1953 lernte er durch den Geigenbauer Karl Weidler die Anregungen von Franz Thomastik zu einer Erneuerung des Streichinstrumentenbaus kennen und beschäftigte sich zunehmend mit Fragen des Instrumentenbaus. 1954 machte er die erste Bekanntschaft mit der Leier durch die Begegnung mit Julius und Maja Knierim und ihrer musikalischen Arbeit. Für die musiktherapeutische Arbeit seiner Frau Carolien entwickelte er seit 1959 erste kleine Leiermodelle und neue Metallophone. Aus diesen Anfängen heraus entstand 1964 der Choroi-Instrumentenbau mit sozialtherapeutischen Werkstätten in verschiedenen Ländern, u.a. in der 1966 von Visser selbst gegründeten Einrichtung Scorlewald (NL).

Mit den in verschiedenen Stimmlagen gebauten Choroi-Leiern etablierte sich ein zweiter Leiertyp neben den von Lothar Gärtner entwickelten Modellen. Innerhalb des Choroi-Instrumentariums entstanden noch weitere Abkömmlinge der Leier: die Bordunleier (1966) und die siebensaitige, pentatonisch gestimmte Kinderharfe (1968, zusammen mit Helmut Hofstetter und Julius Knierim entwickelt). Mit den seit 2014 gebauten kleinen Primleiern hat sich die Familie der Leierinstrumente noch einmal erweitert.

Für weitere Entwicklungen im Leierbau und auch von anderen Instrumenten gab Visser mit seinen Forschungen zu Klang, Form und Materie wichtige Anregungen. Vissers kompositorisches Werk ist weitgehend unveröffentlicht geblieben.

Schriften (Auswahl):
Der Choroi-Musikinstrumentenbau als musikalischer und sozialer Impuls. In: Seelenpflege in Heilpädagogik und Sozialtherapie. Nr. 1, 1983.
Das Tongeheimnis der Materie. Über Form und Materialität beim Musikinstrumentenbau. Järna 1984.
Dagboek van de nacht. Schoorl 1998.

Link: Wikipedia: Norbert Visser